In-Ears: Falsch verwendet lauert ein deftiger Gehörschaden
Schallwellen können den Musikzauber permanent versauern.
TL;DR: Zu laute Geräusche zerstören die delikate Apparatur in den Gehörgängen. Und während die Gefahr für alle vor der Bühne allgemein bekannt ist, sind die Gefahren auch für alle auf der Bühne alles andere als Pipifax: Der Tinnitus lauert überall.
Ein User erkundingt sich in einem Forum über die möglichen Gefahren von Ohrenstöpseln gegenüber Kopfhörern beim Musikhören. Jemand antwortet, dass 100 Dezibel 100 Dezibel blieben – egal, ob sie aus Ohrstöpseln oder Kopfhörern kämen. Das Risiko für einen Hörschaden ist so gesehen also abhängig von der Lautstärke. Ein anderer User wirft ein, entscheidend für Gehörschäden sei der Druck, der von der Schallquelle ausgehe, und darum könnten auch bei niedriger Lautstärke bleibende Beeinträchtigungen an der Hörfähigkeit zurückbleiben. Und andere User verweisen auf die Dauer der Belastung als Ursache für eventuelle bleibende Probleme mit dem Gehör.
Für Auftritte müssen sich Musiker ebenfalls damit auseinandersetzen, wie sie selber (ihren) Sound zu hören bekommen. Beim sogenannten Monitoring können sie sich entweder für Lautsprecher entscheiden oder von In-Ears profitieren, die immer erschwinglicher werden. Die guten alten Monitorboxen, die vorne an der Bühne aufgereiht werden, sind natürlich das Mittel der Wahl, wenn man gern einen Fuss etwas höher als den anderen lagert oder generell eher kurzgewachsen ist und darum Podeste mag. Auf der anderen Seite bieten die kleinen Stecker in den Ohren eine Reihe von Vorteilen, die vor allem das Soundtechniker-Herz höher schlagen lassen: Nicht nur hat so jede Person auf der Bühne einen fixen Mix, sie sind auch alle weitaus mobiler, und man kann die Lautstärke prinzipiell unendlich aufdrehen, ohne dass jemals ein Feedback mit den Mikrophonen entsteht.
Und eigentlich sollten In-Ears auch den Gehörschäden vorbeugen, die sonst durch hohe Pegel auf der Bühne entstehen. Denn die Ohrstöpsel verschliessen den Gehörgang recht gut und halten somit andere Geräusche draussen. Dank dieser Isolation müsste der Mix im Ohr nicht so laut sein, um bei allen anderen Geräuschen auf der Bühne klar zu klingen. Müsste. Denn die Schattenseite der hocheffektiven Schallisolation ist, dass der Mix im Ohr schon sehr gut sein muss, um die Musiker nicht auch voneinander zu isolieren. Will heissen: Oft fühlen sich Musiker mit dem Knopf im Ohr abgeschnitten von dem, was auf der Bühne passiert. Der Sound ist zu direkt, zu flach, der Mix unnatürlich – und natürlich fallen der Ausblenderei von Geräuschen auch der brausende Applaus und die Jauchzer im Publikum zum Opfer. Zu guter Letzt passiert auch noch ein Phänomen, das Okklusion genannt wird, und die Sänger unter uns betrifft: Der Schall, der über die Schädelknochen transportiert wird, erzeugt einen Druck, der nicht mehr über den Gehörgang entweichen und so ständig zwischen dem In-Ear und dem Trommelfell herumwabert.
Die natürlichste Reaktion ist dann, mindestens einen Knopf rauszunehmen, um so wenigstens dieses eine Ohr noch am Geschehen zu haben. Ab da geht dann aber die ganze Sache mit der Prävention schief. Wir erinnern uns: In-Ears sind ein Pfropfen im Gehörgang und erlauben es, den Lautstärkeregler für die Monitoren runterzuschrauben und alles trotzdem akkurat zu hören. Das geht aber nur, wenn ein Stöpsel in jedem Ohr steckt, denn unsere Ohren sind so aufeinander abgestimmt, dass Töne lauter klingen, wenn sie nicht nur durch ein einziges Ohr kommen. Dieses Phänomen nennt sich binaurale Summation.
Wie gross der Effekt ist, kann jede und jeder ganz leicht überprüfen: Nimm dir ein Paar Kopfhörer und steck dir nur einen Knopf ins Ohr. Lass Musik laufen und nimm dann den zweiten Knopf. Lass die Finger von der Lautstärke und staune darüber, wie viel lauter die Musik in deinem Kopf ist, sobald du über beide Ohren bespielt wirst!
Binaurale Summation macht rund 6 Dezibel aus, und sobald sie aussetzt, fehlt auch schlagartig der Pfupf. Dann kriegt der Monitormischer den berühmten Finger nach oben, und schon kriegt das noch verstöpselte Ohr wieder die volle Ladung Dezibel ab. Das andere Ohr steht unterdessen ungeschützt im ganzen Bühnenlärm, und zum Schluss schrillt nach dem Gig das Pfeifkonzert wieder perfekt stereo.
Die Moral der Geschicht ist nicht schwer herauszulesen: Wer mit In-Ears arbeitet, sollte dabei das fragile Gehör nie vergessen. Wie bei leider allem ist Mässigung die Devise – aber in diesem Fall kann ein guter Mix Wunder wirken. Der Hersteller 1964 Ears hat zu genau diesem Problem drei Take-Home-Messages formuliert, die äusserst vernünftig klingen:
- Arbeite unbedingt mit einem Stereo-Mix. Der Mono-Mix ist unnatürlich und wird dein Gefühl der Isolation nur verstärken.
- Nutze die Möglichkeiten, die einzelnen Instrumente im Mix zu pannen. Und zwar so, wie sie auf der Bühne angeordnet sind.
- Bau ruhig Effekte in den Mix mit ein. Besonders Reverbs und Signale von Raummikrophonen helfen, dem Mix eine natürliche Ambience zu geben.
Für weitere Tipps zum Umgang mit In-Ears stehen dir zahlreiche Lehrpersonen bei uns zur Verfügung. Es ist nicht nur ihr Können auf dem Instrument, das ihren Musikunterricht ausmacht, sondern auch ihre Live-Erfahrung.
Auch noch lesenwert: http://www.berklee.edu/bt/121/intheear.html
Bild: Fede Racchi via http://www.imcreator.com/
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