«Noch stehen nicht genug Musikerinnen auf der Bühne.»
Lara nimmt seit zwei Jahren Bassunterricht. Heute spielt sie in einer Band und bringt bald eine Single heraus.
Wenn Lara jedes Instrument, auf dem sie schon gespielt hat, gleichzeitig spielen könnte, wäre sie allein eine ziemlich grosse Band. In der Primarschule fängt sie an mit Geige, später nimmt sie Klavier- und Gesangsunterricht und singt im Opernhaus-Kinderchor. Im Austauschjahr eignet sie sich Grundkenntnisse auf der Gitarre an und spielt in einem Orchester. Auch am Schlagzeug sammelt sie ein Jahr lang Erfahrung.
Im Februar 2019 will sie ihre Klavierkenntnisse vertiefen. Ihr Vater empfiehlt ihr Instrumentor.
Sie recherchiert lange, bis sie die passenden Lehrpersonen findet.
Lara liest die ausführlichen Portraits auf der Seite genau durch und entscheidet sich dann für einen Lehrer, mit dem sie sich gut versteht und der sie musikalisch weiterbringt. Doch nach einem halben Jahr merkt sie, dass sie in einer Band spielen will. Dies ist mit dem Klavier nicht so einfach. Also wechselt sie auf den Bass und recherchiert von Neuem nach einer Lehrperson. So findet sie Laura. Eine gute Wahl, nicht nur musikalisch.
Feministische Fragen beschäftigen Lara schon seit einigen Jahren. Irgendwann merkt sie, dass nicht nur CEOs häufig männlich sind, sondern, dass es auch im Pop und Rock fast keine Gitarristinnen, Bassistinnen und Schlagzeugerinnen gibt. Warum eigentlich? Das Thema lässt sie nicht mehr los, so dass sie sich an ihrer Matura-Arbeit damit beschäftigt. Sie besucht Podiumsdiskussionen, vernetzt sich und recherchiert viel. Ernüchtert stellte sie fest, dass nur 11 % aller Musiker:innen weiblich sind.
Spielend engagiert sie sich.
Lara macht auf dem Bass rasch Fortschritte. Der Rest ergibt sich fast von selbst: Ein Freund von ihr fragt sie an, ob sie bei einem Auftritt einspringen kann. Sie sagt zu und merkt, dass sie gern auf der Bühne steht. Kurz darauf sieht sie, dass die Band Emzyg, die aus fünf Frauen besteht, eine neue Bassistin sucht.
Lara erinnert sich an ihre Matura-Arbeit, an die fünf Comics, die sie am Ende schrieb und zeichnete. Sie weiss: Weibliche Vorbilder fehlen auch 2022 noch zu einem sehr grossen Teil. Also gibt sie sich einen Schub. Denn wie soll die Welt sich verändern, wenn sie nicht ihren Teil dazu beiträgt?
Beim Vorspielen überzeugt Lara ihre zukünftigen Kolleginnen, seit Januar 2022 ist sie Teil der Band. Musikalisch lässt sich die Band am besten mit Psychedelic Krautrock umschreiben – kraftvoll und melodiös gleichzeitig. Das Talent der Frauen, die grosse Nachfrage nach Konzerten und der gesellschaftliche Trend zu mehr Gender Equality führen zu mehreren Gigs.
Bald legt sich das grosse Lampenfieber.
Lara erinnert sich an ihren ersten Auftritt im Zürcher «Nordbrüggli»: Sie erhielt einen Burger serviert, war aber so nervös, dass sie vor dem Konzert keinen Bissen essen kann. Seither fühlt sie sich viel sicherer.
Dabei hilft ihr auch der Austausch mit Laura. Zu Beginn lernt sie die Grundlagen und wird immer sicherer, später bringt ihr Laura Technik und Pentatonik bei. Zusammen mit YouTube-Selbststudium und den Bandproben kommt sie schnell voran.
«Ich wollte schon lange selber Musik machen. Und in einer richtigen Band sein. Einer, in der nicht nur über den Namen diskutiert wird», erklärt Lara ihre Motivation. «Lauras Feedback war und ist sehr wertvoll. Am Anfang half sie mir schnell, ganze Lieder zu spielen. Jetzt schätze ich ihr Feedback. Ohne sie wäre ich nicht so schnell vorangekommen.»
Von Emzyg wird noch zu hören sein.
Seit sie oft mit der Band probt, hat Lara die Stunden bei Laura etwas reduziert. Dies vor allem aus zeitlichen Gründen. Finanziell hat die Studentin einen Weg gefunden, ihrer Leidenschaft nachzugehen: Sie lässt sich Stunden gerne von ihren Grosseltern und dem Freund ihrer Mutter schenken.
In nur einem halben Jahr ist bei Lara sehr viel passiert. Bald schon will Emzyg neue Songs schreiben und in den nächsten Monaten eine erste Single herausbringen. «Ich hatte wirklich Glück, diese Band gefunden zu haben», sagt sie dankbar.
Wie es weitergeht, beschäftigt sie hingegen weniger. Bei der Studiumswahl entschied sie sich bewusst gegen die Musik. Sie weiss auch, dass das Rock-Leben stark romantisiert wird und sehr oft harte Arbeit für wenig Geld bedeutet. Falls Emzyg der Durchbruch gelingt, wäre dies natürlich toll. Aber die Hauptsache für Lara ist und bleibt momentan, dass sie sich und der Welt gezeigt hat, dass man als junge Frau im Rampenlicht stehen kann. Hoffentlich noch lange.