Welche*r Musiker*in hat dich am meisten beeinflusst?
• Bad Plus - für ihren Humor, ihre musikalische Dekadenz, ihren Hooliganismus, verpackt in unglaubliche Handwerkskunst!
• Sofia Jernberg (Sängerin, Komponistin) - sie inspirierte mich, mit meiner Stimme zu experimentieren, und durch sie kam ich zu meinem ersten Kompositionslehrer (Henrik Strindberg) an der Gotland School of Music Composition (in Visby, Schweden).
• Rachmaninow und Strawinsky - ihre musikalische Ästhetik spricht mich an. Diese Urgesteine der Musikgeschichte überschritten furchtlos politische, geografische und stilistische Grenzen.
Was kannst du mir auf deinem Instrument besser beibringen als alle anderen Lehrer*innen?
Die Fähigkeit, sich selbst beim Lernen und Experimentieren nicht zu beurteilen; verrückte kompositorische und performative Ideen so einzubauen, dass sie kohärent und überzeugend wirken; zahlreiche Spiel- und Kompositionstechniken. Achtsames Zuhören und Mitspielen. Bühnenpräsenz, Atem- und Körpertechniken zur Linderung von Bühnenangst und Nervosität vor und während eines Auftritts (Alexandertechnik, Pranayama, Vipassana und Tantra).
Wie hast du singen gelernt?
Ich konnte es schon immer und bin zugleich immer am lernen. Die Chorleiterin an der Schule hat mich immer gejagt damit ich in ihrem Chor zu solieren, dazu hatte ich aber so keine Lust (sie sah echt beängstigend aus und die Stücke waren so alte sowjetische Lieder aus dem 2. Weltkrieg...). Gleichzeitig war ich in einem Gesangsstudio und habe dort extra mehr Zeit investiert, damit ich eine Indulgenz vom Schulchor haben konnte.
Wie gehst du vor, wenn du selber einen Song schreibst oder ein Stück komponierst?
Sehr unterschiedlich, je nach Stimmung und Inspiration - da gibt es kein muss (und darf es auch nicht geben!)
Manchmal entsteht aus der Improvisation und dem Herumalbern ein Stück. In anderen Fällen, vor allem bei Kompositionen für klassische Ensembles, gehe ich von einem Konzept aus und suche nach Möglichkeiten, es zu erweitern und zu vertiefen. Oftmals beginne ich mit einer grafischen Darstellung des Stücks - das hilft mir bei der Übersicht der gesamten Form.
Auf welchem Equipment spielst du heute?
• Ein Flügel, denn nichts kann die Schwebung eines akustischen Instruments ersetzen.
• Shure SM86 Kondensator Gesangsmikrofon. Gutes Preis/Qualität Verhätlniss.
• TC Helicon Voicelive Touch. Das Gerät hat zwar viele Nachteile, aber es ist einfach zu bedienen, kann auf einem Mikrofonständer befestigt werden und "verschmutzt" die ursprüngliche Stimmfarbe bei der Verwendung von Effekten nicht zu sehr.
• Ableton Push 2 Controller (also mit Mac & Ableton Software). Als Launchpad & Controller.
• Korg microKORG, dessen Klänge ein Retro-Flair haben. Das gefällt mir in bestimmten Situationen.
Welche persönliche Eigenschaft hat dir beim Üben am meisten geholfen?
Neugier (das allerwichtigste), nicht-Beurteilung.
Was hat dein Instrument, was andere nicht haben?
Die Stimme ist das mobilste und das "unverblühmteste" Instrument. Dazu kommt auch der ganze Körper (z.B., für body percussion).
Klavier: Es ist als ob man ein ganzes Orchester zur Verfügung hätte (es kommen auch noch Perkussion Möglichkeiten dazu und das Spiel im inneren des Klaviers).
Worauf achtest du dich besonders beim Unterrichten?
Das Hauptprinzip ist so eine Safespace zu erschaffen wo die Person sich locker genug fühlt um keine Angst zu haben, blöd oder uncool zu klingen.
Wie meine Gesangslehrerin mir einmal gesagt hat: Marina, du musst den kotzendesten Ton produzieren!
Der zweite wichtige Grundsatz besteht darin, den Schüler*innen, auch wenn sie nur wenige “Werkzeuge” haben, die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend ihrer Individualität musikalisch auszudrücken.
Wie baust du deine Musikstunden auf? Dies hängt weitgehend von den Bedürfnissen und Wünschen der Schüler*innen ab. Beim Singen geht es immer zuerst darum, sich körperlich zu lockern, einzusingen und erst dann am Repertoire zu arbeiten.
Wie gehst du bei Kindern vor?
Als erstes versuche ich, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, damit das Kind mir vertraut, seine verspielte, ungekünstelte Seite zu zeigen, denn darin liegt das unerschöpfliche Potenzial für Kreativität. Ich versuche auch, klare Ziele zu setzen, deren Ergebnisse man relativ schnell sehen kann - das ermutigt einen, weiterzuarbeiten.
Was war bis anhin dein tollstes Erlebnis als Musikerin?
Ist schwierig zu wählen. Eine der tollsten Performance Erfahrungen war am London Jazz Festival 2014, das war das intensivste Flow Gefühl das ich bis je erlebt habe.
Als Komponistin habe ich mich 200% zu hause gefühlt als ich ein Ballet ("Henri", über das Leben von Henri de Toulouse Lautrec) für Sinfonieorchester & Chor komponierte.
Als Zuhörerin hatte ich bei einem Konzert des Marius Neset Quintetts eine echte Katharsis. Das war am Jazzfestival Frauenfeld 2021, wo ich ein Stück für eine Big Band komponierte und dabei die Workshops von Marius besuchte. Am Konzertabend kam dann alles zusammen: das erste Konzert nach dem Corona Lockdown, tiefes Verständnis für seiner Musik, Begeisterung von seinem Spielniveau...
Welches war die grösste Bühne, auf der du gespielt hast?
Auswahl:
• Barbican Stage (London Jazz Festival 2014, mit JAZZATOR);
• Moscow International house of Music (mit Bobby McFerrin in "Bobble" 2010);
• Theaterwerke in Russland für welche ich Musik geschrieben habe: Stanislavsky Ballet Theatre, Theatre of Nations, Ekaterinburg State Theatre of Music Comedy, N. Novgorod State Drama Theatre etc.
Mit welcher*welchem Musiker*in würdest du gerne einmal spielen?
U.a. Jim Hart, Otis Sandjö, Peter Eldh, Sofia Jernberg, wieder Andreas Schaerer und Tyler Gilmore - jede*r ist ein ganzes musikalisches Universum, in das ich gerne eintauche. .
Welche eine Platte würdest du auf die einsame Insel mitnehmen?
Rachmaninov plays Rachmaninov - The nine Études-Tableaux, Op. 39, a set of piano études composed by Sergei Rachmaninoff in 1916–17. Es groovt, es rockt, es bewegt, es dringt mir bis ins Herz vor!
Auf welcher Bühne würdest du am liebsten spielen oder spielst du am liebsten?
Ich mag alle Arten von Bühnen.
Was ist neben der Musik noch wichtig in deinem Leben?
Familie, Freunde. Achtsamkeit im Alltag einüben. Schach. Schöne Kleider. Kochen. Yoga. und noch viel anderes.