Welche(r) MusikerIn hat dich am meisten beeinflusst?
Als Kind war es eine Platte mit Musik der Roma und bald auch Anne-Sophie Mutter, wegen ihrer Souveränität auf der Bühne. Die sprühende Freude von Thomas Füri war für mich Anlass, Musik bei ihm zu studieren. Wir haben uns stilistisch, was Salonmusik betrifft, bestens verstanden. Während der Studienzeit gab es schon Seitensprünge zu Improvisationsworkshops mit Volker Biesenbänder und seinen Konzerten mit Titi Winterstein.
Ich habe viel Stéphane Grappelli und Aufnahmen der älteren Garde gehört. Auch Ivry Gitlis Flair für Salonmusik und sein Eigenwille beim Interpretieren hat mich begleitet. Die Lebendigkeit des Concertgebow Orchester in Amsterdam war Anlass für meine Begeisterung, im gewaltigen Orchesterklang einzutauchen und den Weg ins Orchester zu suchen.
Christian Tetzlaff ist für mich unübertroffen, wenn es darum geht, technische Virtuosität mit tiefstem Ausdruck zu verbinden.
Ihn live in Tonhalle-Orchester Projekten zu erleben inspiriert mich. Die Aufnahmen von Bach Solosonaten und Partiten sind für mich stilistisch am treffendsten.
Hillary Hahn beeindruckt mich mit ihrer Natürlichkeit.
Was mich an Musik immer wieder faszinierte ist die Ektase, Befreiung, Lebendigkeit, Grenzüberschreitung und gleichzeitig das Ordnende, Strukturierende.
Was kannst du mir auf deinem Instrument besser beibringen als alle anderen Lehrer*innen?
Die Möglichkeit, in kurzer Zeit durch einen gezielten, soliden technischen Aufbau das nötige Können zu erwerben. Eine stilistische Vielfalt und Sicherheit, die richtige Stimmung für das richtige Stück zu treffen. Swing! Wie es nur die Latinos beherrschen.
Wie hast du dein Instrument spielen gelernt?
Übers hören und Eintauchen in verschiedene Welten und Stimmungen. Als Kind mit der Platte mit Musik der Roma, später auf Reisen durch Indien, Lateinamerika, osteuropäische Länder, Frankreich. Über das Eintauchen im gewaltigen Klangkörper des klassischen Orchesters in der Tonhalle und in der Oper Zürich mit den vielen Vorbildern. Durch das Beobachten grosser Dirigenten.
Auf welchem Equipment spielst du heute und warum?
Ich spiele immer noch auf einer Geige aus der Klotzwerkstatt, Mittenwald von circa 1780, die ich in der Studienzeit erwarb.
Welche persönliche Eigenschaft hat dir beim Üben am meisten geholfen und warum?
Musikalische Vorstellungskraft. Das Verständnis für Bewegungsabläufe, Flow, Bühnenpräsenz über Nachentfaltung nach H. Jacoby «Jenseits von Begabt und Unbegabt», Yoga, Kampfsport, kontinuierliches Dransein, Befriedigung durch das Erreichen von Ziele. Mich aufnehmen und analysieren.
Was hat dein Instrument, was andere nicht haben?
Die Geige hat von allen Instrumenten meine Seele immer am tiefsten berührt. Auch fasziniert mich das Ausdrucksspektrum: an Schmerzen grenzende Intensität bis zu zartesten Klängen. Und natürlich den Schmelz in den Melodien.
Worauf achtest du dich besonders beim Unterrichten?
Es ist mir wichtig, dir mit all meinem Wissen und meiner Erfahrung bestmöglich behilflich zu sein, deine Ziele zu erreichen und über einfache Bausteine auf direktem Weg zu einem musikalischen Erlebnis und technischen Können zu kommen.
Wie baust du deine Musikstunden auf?
Rekapitulieren der letzten Lektion, durchspielen, beobachten, Coaching, Feedback, je nachdem vertiefen oder aufbauen, Überblick schaffen über die zu meisternden Herausforderungen, aufzeigen, wie am besten vorgegangen werden kann. Über Probieren, Reflektieren und Austausch Eigenständigkeit entwickeln. Vorspielen, mitspielen, begleiten am Klavier und so viel wie möglich direkt an Musikstücken lernen. Kleine Übungen für den Aufbau sind sehr gezielt und mit geringem Zeitaufwand umsetzbar.
Wie gehst du bei Kindern vor?
Ich liebe es, Kinder zu unterrichten. Ein optimales Alter um anzufangen, ist für mich ab circa 6 Jahren. Ich habe einen eigenen Lehrgang und eine für Kinder bilderreiche Sprache mit kleinen Ritualen entwickelt um Fertigkeiten spielerisch, aber doch gezielt zu lernen. Empfehlenswert ist die Kombination mit Ensemblespiel, in dem das Gelernte am musikalischen Erlebnis direkt erfahrbar wird und die Motivation der Kinder gerade in der Anfangsphase aufrecht erhalten bleibt.
Was war bis anhin dein tollstes Erlebnis als Musikerin und warum?
Die Oper von Don Giovanni im Opernhaus Zürich. Ich habe einen besonderen Zugang zu W. A. Mozart, seinem Humor und den fast karikierten Opernfiguren. In der Schärfe und Prägnanz der Interpretation von N. Harnoncourt und dem unglaublichen Ausdrucksspektrum von C. Bartoli. Höchster Genuss! Die Bruckner Sinfonie Nr. 4 im Tonhalle Orchester. Auch das Überirdische, Ewige kann mich in seinen Bann ziehen. B. Haitink vermag es mit minimalen Bewegungen das monumentale Werk aus dem Nichts entstehen zu lassen. Und so vieles mehr...
Was mich auch begeisterte war in einer Band verstärkt zu improvisieren und dabei tausende von Menschen im Tanz zur Ektase zu führen. In einer leeren, kalten Fabrik viele Meter über dem Boden J. S. Bach ohne Höhenangst zu spielen...
Welches war die grösste Bühne, auf der du gespielt hast?
Ich weiss es nicht. KKL Luzern, Elbphilharmonie Hamburg, Tonhalle Zürich, Gewandhaus zu Leipzig, Kölner Philharmonie.
Mit welche(r)m MusikerIn würdest du gerne einmal spielen und warum?
Mit allen die leidenschaftlich Musik machen und einen offenen Geist haben.
Welche eine Platte würdest du auf die einsame Insel mitnehmen und warum?
S. Prokofiev Violinkonzert Nr. 1. Es enthält alles: überirdisches, abgerücktes, verruchtes, wildes, sinnliches, süsses, tänzerisches, schalkhaftes. Brasilianer wie Caetano Veloso, João Gilberto für die entspannte Stimmung und schönen Texte.
Auf welcher Bühne würdest du am liebsten spielen oder spielst du am liebsten?
In der Tonhalle Zürich fühle ich mich zu Hause.
Was ist neben der Musik noch wichtig in deinem Leben?
Freunde, Natur, Tanzen, Zusammenhänge zwischen Seele, Körper, Geist, kreative Prozesse, mich weiterentwickeln. Wenn ich Zeit finde, geschichtliche, politische Zusammenhänge und Reisen.