Welche*r Musiker*in hat dich am meisten beeinflusst?
Es fällt mir sehr schwer, einen einzelnen Einfluss zu beschreiben. Einerseits geprägt hat mich sicher meine Mutter, die selbst Pianistin, Chorleiterin und Organistin war bzw. ist. Ich verbrachte mein Aufwachsen zwischen Proben, Klavierunterricht daheim, Konzerten und Orgelbänken. Sie ist mit grosser Hingabe Musikerin und zeigte mir von Anfang an, wieviel mehr dazu gehört, als Musikerin tätig zu sein, als der einzelne Auftritt.
Dann sicher Jacqueline du Pré als grosses musikalisches Vorbild meiner Kindheit, eine der ersten bekannten Cellistinnen mit einem tragischen Schicksal, welche absolut kompromisslos und leidenschaftlich Musik machte und dadurch kaum jemanden, der sie hörte, kühl zurückliess: Wieviele Stunden lauschte ich ihren Aufnahmen und war tief berührt!
Lisa Nessling, meine erste „richtige“ Cellolehrerin, die in mir das Feuer weckte und mir viel mitgab an Technik, Übepraxis und musikalischem Dranbleiben, Wolfgang E. Schmidt, der mir eine Vorstellung davon gab, was alles mit diesem Instrument klanglich möglich ist und mir dadurch den Weg als professionelle Cellistin vorzeigte. Viel später Björk, die mein musikalisches Wissen und Gespür auf den Kopf stellte und mich immer wieder neu inspiriert. Beethoven und Bach, welche mir den Boden geben, auf dem mein Musikempfinden gründet. Meine neueren Prägungen sind mitgestaltet durch Efrat Alony, welche mir wieder zeigte, wie nah die Stimme am Cello ist und wie Stile verschmelzen zu neuem Leben. Und durch die Komponistin Saskia Bladt, die mich auf Entdeckungsreise am Instrument schickte zu den vielfältigsten Obertönen und zeigte, was alles beinahe unmöglich und doch vorhanden ist. Und so viele mehr! Im Grunde prägt mich jede einzelne musikalische Begegnung, auch jene mit meinen Schüler*innen.
Was kannst du mir auf deinem Instrument besser beibringen als alle anderen Lehrer*innen?
Besser finde ich immer ein schwieriges Wort. Wir alle haben unterschiedliche Erfahrungen, die wir weitergeben. Ich bringe sicher eine grosse Offenheit und Neugier mit, welche ich der Motivation, dem Spielerischen und dem Flow meiner Schüler*in widme.
Da ich sehr viele verschiedene Lehrer*innen hatte mit unterschiedlichsten (klassischen und erweiterten) Techniken, habe ich mir über Jahre einen sehr breiten „Werkzeugkasten“ zugelegt. Diesen kennenzulernen hilft mir dabei, individuell für die Schüler*innen passende Tools auszuwählen, je nach physischen wie psychischen Voraussetzungen und auch dem Ziel, dass die Schüler*innen sich gesetzt haben. Bei mir darf sich jede*r holen, was daraus gebraucht wird. Auch schaffen wir parallel an Musikstücken aus verschiedenen Bereichen, Improvisation, Körperkoordination und weiterem.
Wie hast du dein Instrument spielen gelernt?
Ich habe nach den ersten Jahren nicht aufgegeben (lacht) und kam dann mit 12 Jahren zu einer Lehrerin (siehe oben), die mich begeisterte und mitriss. Kurz danach stand mein Entschluss fest, dass ich gerne Musikerin werden wollte. Ich lernte durch sie, Auftritte zu geniessen und jeden Moment musikalisch auszukosten. Und ich lernte, durchzuhalten und immer wieder neue, eigene Wege mit Musik und künstlerischen Projekten zu finden, welche meinen (Unterrichts-)Alltag befruchten.
Wie gehst du vor, wenn du selber einen Song schreibst oder ein Stück komponierst?
Ich lasse mich sehr gerne durch etwas inspirieren, das einen anderen, mir noch unbekannten Ursprung hat. Das kann ein Klang, ein Begriff, ein Gefühl oder ein Musikstück sein. Aus diesem Kern entstehen improvisatorisch nach und nach einige Skizzen, welche ich immer wieder aufnehme, loope, verwerfe und dann neu entstehen lasse. Meine Kompositionen sind selten je „fertig“ - ich arbeite eigentlich fortwährend weiter daran und verändere sie wieder von Auftritt zu Auftritt.
Auf welchem Equipment spielst du heute?
Mein klassisches Cello ist die Basis, teils leihe ich mir ein sehr gutes Barockcello aus. Ausserdem spiele ich mit dem Yamaha SVC-50 E-Cello und der Boss Loop Station RC 300, beim klassischen Cello mit DPA Tonabnehmer, Effektgeräten und meinem Schertler Verstärker. Dies bildet meine Basis, die ich immer wieder erweitere und neu definiere, je nach Musikstück.
Welche persönliche Eigenschaft hat dir beim Üben am meisten geholfen?
Meine Ungeduld hat mich immer wieder dazu gebracht, nicht aufzugeben und noch einen neuen Weg zu suchen, sollte etwas nicht klappen. Mein inneres Feuer hat immer wieder geholfen, sich nicht zu schnell zufrieden zu geben und noch tiefer daran zu arbeiten. Wichtig war mir auch, immer auf meinen Körper zu hören und genug Pausen einzubauen. Am schönsten ist es, bereits beim Üben in einen Flow zu kommen und die Musik fliessen zu spüren. Das möchte ich sehr gerne weitergeben!
Was hat dein Instrument, was andere nicht haben?
Das Cello ist ein sehr „körperhaftes“ Instrument, wir umarmen es beim Spielen. Der Klang ist sehr nahe an der menschlichen Stimme und deren Stimmumfang, von Bass bis Koloratursopran. Das gibt ihm eine Wärme und Nähe, in die ich mich immer wieder von neuem verliebe. Innerhalb der klassischen Musik hat das Cello sehr verschiedene Positionen, mal spielt es den (General-)Bass, dann eine Mittelstimme und schliesslich immer wieder berührende Soli. Die Vielseitigkeit ist im Orchester und der Kammermusik beinahe einzigartig. Auch in anderen Stilen ist das Instrument unglaublich adaptierbar und kann sich immer wieder selbst „erfinden“ und die Rolle neu mitdefinieren. Daher gibt es immer wieder neue Techniken zu entdecken - welche ich selbst auch immer wieder weiter entdecke und mitentwickle.
Worauf achtest du dich besonders beim Unterrichten?
Mir liegt am Herzen, dass es eine sichere, offene und entspannte Unterrichtsatmosphäre herrscht, in welcher Hindernisse im Lernen und Üben gemeinsam angeschaut werden können. Körperarbeit, Atmung, Humor und Gespräch sind Teil des Unterrichts.
Wie baust du deine Musikstunden auf?
Mir ist es wichtig, meine Schüler*innen da abzuholen, wo sie stehen. Mich interessiert daher der ganze Mensch und in diesem Kontext die Motivation, Cello zu lernen. Darauf baue ich die Stunden auf: Was beschäftigt dich aktuell - als Mensch und auch mit dem Cello, wohin möchtest du kommen - und wie kann ich dich dabei begleiten, dorthin zu kommen. Dies bedeutet, gemeinsam Ziele zu definieren und die dann Schritt für Schritt anzupeilen. Wir spielen uns zusammen ein, damit das Gehör gleich aufgeht für den Klang. Dann nähern wir uns den musikalischen Zielen und konkreten Musikstücken: Welche Techniken braucht es dazu? Wie kann dies effizient geübt werden - und wann können wir dies im Tagesablauf einbauen? Wichtig ist mir, da auch ganz viel Spass einzubauen, das heisst, dass sicher in der Stunde auch improvisiert, Blattgespielt und zusammen Musik gemacht wird, damit alles in Fluss kommt. Mir ist es aber auch wichtig, an einer Musik vertieft über Wochen zu arbeiten und diese immer ausdrucksvoller gestalten zu können. Denn letztlich ist reine Technik leer, erst, wenn wir dann am Ausdruck arbeiten, fängt es richtig an Freude zu machen. Und dies geht von Anfang an.
Wie gehst du bei Kindern vor?
Genauso, aber wir haben oft noch eine dritte Ebene: Eine musikalische Geschichte, die wir erzählen, eine technische Anekdote, welche zB. den Daumengriff am Bogen als Papagaienschnabel bezeichnet. Alle Übungen sind sehr spielerisch - es wird - bei Kindern besonders stark - auch viel vor- und nachgesungen, um die Tonhöhen besser wahrzunehmen. Auch sind mir rhythmische Übungen als Grundlage wichtig, welche am Körper geklopft oder durch den Raum getanzt werden. Oft komponieren und improvisieren wir auch Musik, für welche eigene Zeichen erfunden werden. Ich möchte bewirken, dass meine Schüler*innen, egal welchen Alters, das Cello als erweiterten Teil ihres Körpers als ganz natürlich kennenlernen.
Was war bis anhin dein tollstes Erlebnis als Musikerin und warum?
Vor vielen Jahren war ich auf einer Weltreise mit dem Cello und lernte per Zufall das Sinfonieorchester in Arequipa/Peru kennen. Innerhalb von einer Probe wurde ich ins Orchester aufgenommen und die Solocellistin bot mir ihren Platz an und bat mich, dass ich sie unterrichtete. Zu erleben, dass man um die halbe Welt reist und plötzlich in eine neue Gemeinschaft aufgenommen wird, welche wissbegierig ist und bescheiden, das hat mich tief berührt. Dort, vor vielen Jahren, habe ich erstmals unterrichtet, und dies, ohne wirklich spanisch zu können. Musik als universelle Sprache - dies ist eine Realität, die tief bewegt.
Welches war die grösste Bühne, auf der du gespielt hast?
In Arequipa haben wir teils vor 2000 Menschen in der Kathedrale im Stadtzentrum gespielt. Ich durfte auch mehrfach solistisch auftreten mit dem Orchester. Aber das Konzerterlebnis war sehr speziell: Die Türen standen offen, die Konzerte waren gratis und die Menschen konnten während des Konzerts kommen und gehen. Dennoch gab es diese Momente der Stille, in der ein Streichholz hätte fallen können: Alle lauschten tief. Eigentlich spielt aber die Bühnengrösse bzw. die Publikumszahl keine Rolle. Sobald ein aufmerksames Publikum da ist, ist es ein Genuss. Dies kann aber direkt über eine bewusste Bühnenpräsenz erreicht werden, welche „erlernbar“ ist.
Mit welcher*welchem Musiker*in würdest du gerne einmal spielen?
Da ich ein Fan bin von Björk und Radiohead, wäre es ein Traum, einmal mit jemandem von ihnen zu spielen. Aber ich lerne auch immer wieder neues kennen und freue mich grundsätzlich über alle Kollaborationen, auch mit anderen Künsten!
Welche eine Platte würdest du auf die einsame Insel mitnehmen?
Derzeit Efrat Alonys`s "Händel - Fast Forward“ - ich bin begeistert von der experimentellen und groovigen Händel-Neukomposition von Efrat und ihrer Band!
Auf welcher Bühne würdest du am liebsten spielen oder spielst du am liebsten?
Am liebsten spiele ich an ungewöhnlichen Orten, die quasi neue Bühnen bilden, auf Hochhäusern, in Treppenhäusern, Schächten, Zügen und Strassenbahnen, Baustellen und draussen in der Natur. Ich spiele aber auch sehr gerne in sozialen Kontexten, zB. in Altersheimen. Das Publikum dort ist unglaublich bereichernd!
Was ist neben der Musik noch wichtig in deinem Leben?
Meine Familie mit meinem Mann und unseren drei Kindern, Natur und Bewegung, Literatur, Tanz und Theater, Lachen, wandern, Neues entdecken und geniessen